Dienstag, 7. November 2006

Bonsoir Monsieur le Président - Guten Abend Herr Präsident

Wenn ich den Franzosen, die ich hier kennenlerne erzähle wo ich wohne, fällt ihnen erstmal die Kinnlade herunter. Im 16. Arrondissment - c'est impossible! In der Tat, jeder der etwas auf sich hält und das nötige Kleingeld auf der Bank hat sucht sich hier im quartier ein Appartement - ein 75016 oder 75116 als Postleitzahl auf der Visitenkarte ist gleichbedeutend mit einem Schlüssel für gewisse soziale Kreise. Das führt dazu, dass die Quadratmeterpreise unbezahlbar sind und die Nachbarschaft sich entsprechend illuster gestaltet - Filmschauspieler, ehemalige französische Staatspräsidenten, Wirtschaftsgrößen und ein armer Zivi aus Deutschland, der für ein Appel und ein Ei ein schönes Zimmer mit Blick auf den Eifelturm bewohnen darf. Bisher kannte ich meine Nachbarn nur vom Klingelschild - das hat sich in dieser Woche etwas geändert.

Am Donnerstag war ich im deutschen Konsulat beim Gesandten der Bundesrepublik Vor deutschem Konsulat in DienstkleidungDeutschland zum anlässlich der Verabschiedung des scheidenden Pfarrers, meines Vorgesetzten, zum Mittagessen eingeladen. Unter der wehenden schwarz-gold-roten Flagge öffnete sich die Tür in der rue Marbeau zu einem stilvollen Hotel im Stil des Second Empire - zwei Butler im weißen Frack, mit weißen Handschuhen versteht sich, nehmen den Mantel ab und geleiten in den Salon, servieren Sekt - Taittinger - noblesse oblige...Nach der Ansprache durch den stellvertretenden Botschafter geht es weiter in den Speisesaal - Herr Lunz steht auf der Tischkarte mit Bundesadler. Die Serviette, natürlich mit Bundesadler, gekonnt über den Schoß gelegt, die Speisekarte studierend, natürlich mit Bundesadler, im Gespräch mit der Tischdame vertieft. Zur Vorspeiße gibt es velouté de châtaigne et son escalope de foie gras poêlé - fragt mich nicht, was das genau heißt - ich glaube Edelkastaniepüree mit gekochter Leber. Danach gab es suprême de volaille jaune herbes sous la peau marinés au miel, gefolgt von moelleux tiède au chocolat et son coulis de mangue - die Faustregel sich mit dem Besteck, natürlich mit Bundesadler, von außen nach innen sich tasten hat gute Dienste geleistet. Es war wirklich ein Festessen, natürlich mit einem durch den Gastgeber speziell ausgewählten Wein zu jedem Gang, der von den Butler natürlich wieder aufgefüllt wurde, sobald man auch nur einen Schluck genommen hatte. Zum Glück bin ich das Weintrinken zum Essen schon gewöhnt , ansonsten wäre das etwas zu heiter geworden ;) Danach ging es für den Café wieder in den Salon - Smalltalk mit der Kulturreferentin der Botschaft, Kontakte sind das Wichtigste...
Immer wenn ich daheim sitze und aus Zeitmangel oder fehlender Lust wieder nur schnell Nudeln in den Topf werfe, werde ich mich an dieses Essen erinnern - das dürfte genug Motivation sein für die Laufbahn im diplomatischen Dienst ;)

Am Samstag musste ich den Abend wieder auf der Arbeit verbringen - das ist der große Nachteil des Zividaseins in einer Kirchengemeinde. Manchmal kann das aber auch sich zum Vorteil wenden, wenn der ehemalige Président de la Republique française, Valéry Giscard d'Estaing zur Tür hinein kommt. Bonsoir Monsieur le Président - zum Glück hatte sein Bild schonmal gesehen, dass ich ihn standesgemäß begrüßen konnte - der Franzose legt darauf sehr viel Wert. Er hat sich tatsächlich gefreut, dass ich ihn erkannt habe, auch wenn seine Amtszeit schon weit vor meiner Zeit lag und so hatte ich die Gelegenheit einige Worte mit ihm und seiner Frau zu wechseln. Ist wirklich komisch, wenn eine Person, von der man im Geschichtsuntericht, plötzlich vor einem steht und von seiner Jugend in Koblenz erzählt. Wer weiß - vielleicht komme ich nochmal in den Genuß eines Diners, die Spielregeln beherrsche ich mittlerweile ;)

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