La fête du Beaujolais Nouveau

BeaujolaisMan muss den Franzosen eine außerordentliche Kreativität zugestehen, wenn es darum geht, sich wohlklingende Ausreden auszudenken, warum man sich wieder eine Nacht feucht-fröhlich um die Ohren schlagen muss. War es vor einigen Wochen die nuit blanche, so bestand an diesem Wochenende geradezu die gesellschaftliche Verpflichtung als guter (Halb-)Franzose, sich in die Weinbar seines Vertrauens zu begeben und dort eine Tropfen des Beaujolais Nouveau - oder Beaujolais Primeur wie er in Deutschland eher bekannt ist - zu sich zu nehmen.
Ich gehe davon aus, dass meine verehrten Leser bereits mehr oder weniger intensiven Kontakt mit diesem Saft der Traube hatten, dass ich nicht gesondert erwähnen muss, dass der Beaujolais Nouveau nichts anderes als der erste Wein des aktuellen Jahrganges ist. Beaujolais nach dem Anbaugebiet, Primeur, weil diese Region früher als erste das Recht hatte, ihren Wein auf den Markt zu bringen. Mittlerweile hat sich dies geändert, dewegen wohl nur noch Nouveau - der Neue. Der Ruf ist hingegen legendär geblieben.
Eine nette Anektdote in dieser Hinsicht ist, dass der ganze Hype auf einer Marketingkampagne aus den 50er Jahren beruht, in der sich die Winzer der Region das Recht erstritten, schon am dritten Novemberdonnerstag ihren Wein - den sie laut Spöttern anders nicht losgebracht hätten - zu vermarkten. So werfen Kritiker auch heute dem Beaujolais vor, ein eher unausgereifter und deswegen minderwertiger Wein zu sein, was aufgrund der geringen Zeit zwischen Ernte und Abfüllung wohl auch nicht ganz falsch ist. Auf der anderen Seite ist es ein sehr ehrlicher, junger Tropfen mit fruchtigen Anklängen und Nuancen, die an Himbeeren erinnern ;) Gut, ich höre schon auf über Wein zu schwadronieren, auch wenn man das in Frankreich wohl zwangsläufig so annimmt.
Père LouisSo, zurück zum Abend: Ich bin mit David zu Père Louis, einer wirklich urigen Weinkneipe gegenüber der Sorbonne gelegen, in der sich die Weinflaschen an den Wänden stapeln und schon von einer dicken Schicht Staub überzogen sind, die Gäste ungezwungen um große Eichenfässer stehen und eine große alte Bahnhofsuhr die Weinliebhaber vergeblich vor dem Verpassen der letzten métro warnen will. Diese bar à vins kann mit Recht als meine Stammkneipe bezeichnet werden, weil man so eine ungezwunge und lockere Stimmung in Verbindung mit relativ moderaten Preisen eigentlich in Paris recht selten findet. Der Vorteil einer Stammkneipe ist auch, dass man irgendwann die Bekanntschaft des patron macht, der immer für einen Geheimtip zu haben ist. Ich mag weiterhin sehr an dieser Bar, dass man schnell mit anderen Leuten ins Gespräch kommt, zu denen man sich an das Faß gesellt. So habe ich drei nette toulousains - Einwohner der wie ich hörte zauberhaften Stadt Toulouse - kennengelernt, die schon einige Jahre in Paris wohnen (Grund: siehe Pendaison de crémaillière II) und mir noch einige gute Adressen mit netten Ecken in Paris mitgeben konnten. Denn auch wenn Père Louis ein wahnsinnig schöner Flecken in Paris ist - es gibt noch 1000 andere zu entdecken. Es war dann schon wieder zu fortgeschrittener Stunde als ich mich in den mir vertrauten Nachtbus setzte, der mich immerhin bis zur Hälfte der Champs Elysées brachte, so dass noch ein längerer Heimweg auf mich wartete. Doch auch dieser Fußmarsch hat seine Reize: Wann werde nach diesem Jahr noch einmal einen Heimweg über die berühmteste Straße der Welt haben? Ich bin schon gespannt, was der nächste Grund, was die nächste Ausrede, für diesen Heimweg sein wird...

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Zuletzt aktualisiert: 26. Apr, 00:47

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